17. Leipziger Hörspielsommer im Richard-Wagner-Hain Leipzig

Review: sonOhr Festival in Bern vom 13. bis 15. Februar 2015

Seit fünf Jahren findet in Bern jährlich das sonOhr Festival statt, ein Festival für „aufwendige Hörstücke“. Drei Tage werden freie Hörspiel- und Featureproduktionen aus der ganzen Schweiz präsentiert. Dieses Jahr war eine Delegation des Hörspielsommer e.V. vor Ort und hat sich in die schweizer Hörkunstwelt gelauscht.

Schon auf unserem Weg zum Festivalauftakt am Freitagabend im Kino Kunstmuseum wurden wir akustisch begrüsst: die Klanginstallation „Soundstairs“ von Torsten Lüdge und Lucia Vasella, einer der Gründerinnen des sonOhr Festivals, kündigte an: hier geht’s ums Hören.

Wir bekamen auch gleich Ungewöhnliches auf die Ohren: ein 5.1-Surround-Hörspiel leitete das Festival ein. Die SRF-Produktion Lost in Navigation (http://www.srf.ch/sendungen/hoerspiel/hoerspiel-premiere-in-headphone-surround-lost-in-navigation), ein akustisches Roadmovie, soll die Zuhörenden mitten ins Geschehen versetzen. Surround-Sound ist also nicht nur in den deutschen öffentlichen Radioanstalten in aller Munde. Nun, die Story des Hörspiels mutete bekannt an, dennoch war das Hörerlebnis interessant. Wenn auch der Toningenieur Basil Kneubühler im Nachgang gestand, dass der optimale Hörgenuss lediglich 15 Menschen im Kinosaal vergönnt war, der Rest des Publikums saß außerhalb des „Sweetspots“. Und auch mit anderen Problemen haben die Produzenten von Mehrkanal-Produktionen, bei dem Versuch das natürliche 3D-Hören nachzuahmen, zu kämpfen: das SRF-Hörspiel wurde außerhalb des Studios in einem Auto aufgenommen. Die Hörerinnen sollten das Gefühl haben, neben den Protagonisten im Auto zu sitzen. Doch der akustische Raum des Kleinwagens wuchs sich im Hörraum des Kinsosaals zum Klangraum eines Busses aus.

Die Ohren geöffnet, stürzten wir uns in die ersten Wettbewerbsblöcke. In insgesamt elf Blöcken wurden über die drei Festivaltage 23 Produktionen präsentiert. Die Organisatoren wollen den Wettbewerb auf die Schweiz beschränkt halten und lassen ausschließlich freie Produktionen aus der Schweiz zu. Doch das beschränkte nicht die Vielfalt der Stücke, die wir zu Gehör bekamen: handwerklich in feinster Qualität produzierte Reportagen, experimentelle Radiokunst und Erstlings-Hörspiele. Das sonOhr versteht sich nicht als „Hörspiel“-Festival, sondern will auch journalistische Produktionen präsentieren, weswegen ausdrücklich auch Feature und Reportagen erwünscht sind. Fasziniert hat uns die Selbstverständlichkeit der Sprachenvielfalt. Natürlich ist ein Wettbewerb für Hörstücke in der Schweiz automatisch ein internationaler Wettbewerb: unbekümmert gesellt sich in einem Stück deutsch oder englisch neben französisch, italienisch und schweizerdeutsche Mundart. Zu allen fremdsprachigen Stücken wurden Übersetzungsskripts ausgehändigt, doch war es auch ein Erlebnis, die Stücke ohne Übersetzung zu hören, wie beispielsweise die Audio-collage Carte postale sonore de La Chaux-de-Fonds von Abril Padilla und Schülern der Ecole La Citadelle, das den Jury-Preis Prix d`Ohr gewann. In den Hörspielproduktionen ging es auffällig oft lustig zu: Etwa die Hälfte der Hörspiele waren Satire-Stücke in Schweizer Mundart. Für manche dieser Produktionen hätten unsere ungeübten Ohren eine Transkription benötigt, doch das amüsante Spiel mit akustischen Themen des Privatradios in dem Gewinnerstück des Jury-Preis Fiction Ein Tag im Leben des Privatradios von Mirio Bähler und Thierry Lüthy war Sprachgrenzen überschreitend erheiternd. Auch Experimente an den Grenzen der bekannten Genre der Radiokunst wurden gezeigt, wie zum Beispiel Montreux, montre-moi ton son!, eine Sound Architecture zweier Architektur-Studenten, die ein fiktives Soundbild der Stadt Montreux am Genfer See malten.

Gehört werden konnten die Wettbewerbsproduktionen an zwei Orten. Entweder konzentriert im Kinosaal des Kino Kunstmuseums, wo man moderiert durch das Programm geleitet wurde und nach jedem Stück in einem kurzen Interview mit den Produzentinnen mehr über deren Arbeit erfahren konnte. Auch die dreiköpfige Jury saß hier, bestehend aus Anina Barandun, Redaktionsleiterin Hörspiel und Satire SRF, Lucie Gerber, die ein Hörspielfestival in der französischsprachigen Schweiz organisiert, und Radiopädagoge Markus Weidmann. Denn die Juroren hörten, gleichberechtigt wie das Publikum, die Stücke das erste Mal und gemeinsam vor Ort. Der zweite Festivalort war ein gemütlich mit tiefen Sesseln ausgestattetes Wohnzimmer im Kulturpunkt PROGR ein paar Häuser weiter.

Die Wettbewerbsblöcke wurden begleitet von einem Rahmenprogramm, so konnten wir einer Feature-Ursendung lauschen,es gab ein Live-Hörspiel und ein Klangspielzimmer, in dem die Besucher bei verschiedenen Klanginstallationen die Ohren anstrengen oder einfach nur Zuhören konnten. Unsere Highlights: Das akustische Memory Memoreille von Gaudenz Badrutt und CH-MusikerInnen: http://www.memoreille.ch/ und die Hörkissen, in die man seine Ohren drücken und gemütlich Kurzhörspielen lauschen konnte.

Nicht nur das gemeinsame Hören und die Präsentation freier Hörproduktionen ist dem sonOhr-Team wichtig, sondern auch die Vernetzung der Produzentinnen. Diese konnten an einem Workshop zum Urheberrecht teilnehmen, und sich in einer Masterclass, geleitet von Johannes Mayr, ehemaliger Student des Studiengangs Experimentelles Radio an der Bauhaus-Universität Weimar und heute SRF-Regisseur, in Hörspielimprovisation üben. Dessen unterhaltsames Ergebnis wurde dem Publikum dann zur Preisverleihung präsentiert. Doch bevor die Gewinner gekürt wurden und tatsächlich klingende Preispokale in der Hand hielten, fand ein öffentliches Austauschforum statt. Ein Raum, in dem Publikum, Hörspielmacherinnen und Organisatorinnen über das Festival und aktuelle Tendenzen in Hörspiel und Feature diskutieren konnten. Als Spezialgast angekündigt Linda Muscheidt, Journalistin und Schauspielerin, die dem sonOhr-Rat angehört, ein Komitee aus Radiopersönlichkeiten, die den Festivalorganisatoren mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen. Die Radiomacherin reflektierte über ihr Festivalerlebnis. Credo: die eingereichten Beiträge seien professioneller geworden, was sie erfreut hätte. Doch auch Experimente müssten noch präsentiert werden, selbst wenn sie sich als weniger gelungen herausstellten, fordert ein langjähriger Teilnehmer des Festivals ein. Und schon war eine Diskussion über Publikumstauglichkeit und die Ästhetik freier Produktionen entfacht.

Mit Freude waren wir ganz Ohr beim 5. Geburtstagsfestival des sonOhr Festivals und können es wärmsten empfehlen:

Ausschnitte der Gewinner-Stücke und das Kurz-Hörspiel Geburtstag, entstanden im Rahmen der sonOhr Masterclass 2015 könnt ihr hier nachhören:

http://www.sonohr.ch/index.html

Und auch der Termin für das 6. sonOhr Festival steht schon fest: es findet vom 19. – 21. Februar 2016 statt.

Review sonOhr Bern 2015 als PDF.